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Kurz vor Buchara, unserer ersten Station in Usbekistan, hält
der Zug plötzlich im Niemandsland an, Kinder und Jugendliche springen mit
Taschen und Koffern vom Zug und entschwinden unter dem Gehäul der Zugfahrenden
und der Polizei im Sand und in nahestehenden Lastwagen, die sogleich
davonbrausen. Wir sind gerade Zeugen eines Überfalls geworden. Die Kinder
hatten sich offensichtlich auf das Dach des Zuges geschlichen, und von dort die
über den Zugabteils liegende Abstellfläche geoffnet. Der Halt des Zugs ist per
Notbremse erzwungen. Die uniformierten Zugsschaffner und einige Passagiere
versuchen, den Kindern nachzurennen, doch die Taschen und Koffer verschwinden
ebenso schnell wie ihre Diebe. Nach einigen Minuten ist der Spuk vorbei. Uns ist
nichts abhanden gekommen, und der Zug setzt sich wieder in Bewegung. In Buchara
angekommen, machen wir gleich auf dem Bahnhof schon einmal wieder Bekanntschaft
mit der Polizei. Diese führt uns gleich zum Posten ab, um unsere Pässe zu
registrieren. Genaustens werden alle Passangaben, unsere Reisedaten und Orte in
ein grosses Journal eingetragen. Unsere Befürchtungen, dass wir nur nach einer
Geldstrafe unsere Pässe wieder bekommen, bewahrheiten sich nicht. Die
Polizisten zeigen sich äusserst freundlich und interessieren sich für die
Schweiz. So unterhalten wir uns noch eine gute Stunde auf dem Polizeiposten und
erfahren einiges über Usbekistan, z.b dass ein Polizist (mit einem dicken
Stern) 21000 Sum pro Monat verdient (ca 30 USD), die Monatsmieten ca 1000 Sum
betragen, das Wasser, Elektrizität und Gas kostenlos ist, der Liter Benzin 150
Sum kostet, etc. Zum Schluss helfen uns die Polizisten sogar, bei einem uns
empfohlenen Reisebüro in Buchara anzurufen. Obwohl nur wenige Kilometer
entfernt, muss das Telefongespräch bei der Telefonzentrale angemeldet werden.
Doch schliesslich klappt sogar dies. Wir bedanken uns herzlich und tauschen noch
Adressen aus.
Buchara ist eine Stadt mit viel Charme. Die Sehenswürdigkeiten
liegen alle in der Altstadt, welche zu Fuss gut zu erkunden ist. Buchara war die
Hauptstadt der Samaniden im 9. und 10. Jahrhundert und Asiens reliogöses und
kulturelles Zentrum. Im Schatten von Maulbeerbäumen am Rande eines kleinen
Teiches in der Stadtmitte mit Aussicht auf Minarettürmen, alten Karawansereien,
Koranschulen und anderen Lehmziegelbauten, ist die Stadt ein wahrer Genuss. Es fällt
uns auf, dass es hier auf den Strassen fast keine Autos gibt. Dementsprechend
ist es sehr ruhig, und die auch die Luft sauber. Am Abend besuchen wir in einer
ehemaligen Medresse (Koranschule) eine usbekische Folklore- und Modeschau, die
selbst die italienischen Modemacher in den Schatten stellt. Die älteste
Baustruktur ist das Schloss von Buchara (5. Jahrhundert), welches aber von den
Russen bei der Eroberung Zentralasiens 1920 in Schutt und Asche gelegt wurde.
Einige Strukturen sind noch erhalten, bzw. restauriert worden. Etwas ausserhalb
liegt der Palast des letzten Emirs von Buchara, ein Märchen (und Kitsch) Schlösschen
mit grossem Harem für die vielen Fraün des Emir.
Samarkand ist ähnlich wie Buchara: die älteren
Gebäude sind alle um den Hauptplatz Registan mit den beiden Medressen angelegt.
Samarkand wurde von Timur, dem Nationalhelden der Usbeken, 1370 gegründet und
zur Hauptstadt des späteren Reiches der Timuriden erklärt. Viele Gebäude
wurden von den Russen erst in diesem Jahrhundert nach dem Verfall der Stadt
wieder restauriert bzw. rekonstruiert. So sind immer noch einige Moscheen in
Baugerüsten gehüllt. In einer solchen in Renovationen stehenden Minerett
bietet uns der Wächter die Besteigung des Minaretts an. Mit Taschenlampe
kriechen wir schliesslich die engen Treppen, oder was davon noch übriggeblieben
ist, zum Turm hinauf und geniessen den herrlichen Anblick auf die Stadt und die
vielen Minerette, Kuppeln, Bögen und verwinkelten Häuserdächern. In Samarkand
liegt auch ein Cousin des Propheten Mohammed begraben, und natürlich ist diesem
ein kleineres Heiligtum (halbfertig restauriert bzw. rekonstruiert) gewidmet
(Shahi-Zinda). In einem anderen Stadtteil liegt auch der grosse Timur begraben.
Das Mausoleum ist reich geschmückt, allerdings muss man in die Krypta des
Grabmals hinuntersteigen, welche dem interessierten Touristen nur gegen eine zusätzliche
Gebühr erlaubt ist, das Grab Timurs auch wirklich zu Gesicht zu bekommen.
Es fällt uns auf, dass in Usbekistan die Moscheen und
Heiligtümer, im Gegensatz zum Iran, zu reinen Touristenattraktionen verkommen.
Anstelle der Koranschüler und Betenden finden sich in den Moscheen und
Medressen Teppichläden, Souvenirshops, Musikgeschäfte und anderes. Die
Shopbesitzer kämpfen um jeden Besucher, und so sehen wir anstelle der
historischen Bauten vorallem Kunst und Souvenirs. Natürlich wird dafür auch
noch Eintrittsgeld verlangt! Die Architektur der Medressen, die Übermacht der
Minarette, und die schön restaurierten Aussenfassaden der Moscheen und
Medressen, mit Tigern und anderen für Muslim ungewöhnlichen Darstellungen
geschmückt, sind aber beeindruckend und einen Besuch wert.
Schliesslich reisen wir weiter nach Taschkent, der mit 3 Mio
Einwohnern grössten Stadt Usbekistans. Wir übernachten bei Privatleuten, welche
wir bei einer Busstation treffen, und erfahren so wiederum einiges über das
Leben der Usbeken. Im Taschkent ist auch die Polizei wieder einmal omnipräsent
und hält und bei jeder Gelegenheit zur Passkontrolle an. Wie merken bald auch,
dass die Familie, die uns beherbergt, Angst bekommt, die Polizei könnte uns und
sie entdecken. Offensichtlich darf man ohne vorherige Anmeldung bei Privatleuten
nicht übernachten. Doch niemand entdeckt uns. Schliesslich verlassen wir
Taschkent in Richtung Kirgisien. Gab es früher noch direkte Zugs- und
Busverbindungen zwischen Taschkent und Bishkek, der Hauptstadt Kirigisiens, so
merken wir bald, dass alle Zentralasiatischen Republiken verfeindet sind und es
diese Verbindungen nicht mehr gibt. So bleibt einem nur der Flug (ca. 150 USD
pro Person), die Reise über die Berge mit Taxi, oder die Busfahrt entlang der
Hauptstrasse von Taschkent nach Bishkek, welche nun aber über Staatsgebiet von
Kasachstan führt. Wir wählen den letzteren Weg und fahren mit einem Minibus
zur Grenze Kasachstans. Hier werden unsere Pässe an vier verschiedenen
Grenzstationen überprüft, und wir füllen mehrere Deklarationen aus. Bei der
letzten Gepäckkontrolle fällt wieder einmal auf, mit welcher Unverschämtheit
die Zöllner Touristen ausnehmen wollen. Während alle Usbeken und Kasachen die
Kontrolle passieren, werden wir in einen speziellen Raum gerufen, wo uns der Zöllner
gleich eröffnet, dass er uns für mehrere Stunden festhalten könne, wenn er
wolle. Während die Zöllner in unserem Gepäck wühlen, überlegen wir uns, wie
wir hier ohne Bezahlung wohl wieder herausfinden. Nachdem die Zöllner aber im
Gepäck kein Geld, bzw. keine Dollars finden, eröffnet der Chefzöllner uns
unverblümt, dass wir ihm Geld zahlen sollten, schliesslich wären wir ja reich
und er arm. Mit unseren Russischkenntnissen können wir uns aber schliesslich
herauswinden und verlassen das Zollhäuschen – weniger einer Flasche
Mineralwasser, welche wir dem armen Zöllner schenken. Noch bunter wird es bei
der Frage nach einer Toilette, die an der Grenze für Touristen 5 USD kosten
soll. Geboten wird dafür ein stickendes Dreckloch, ohne WC-Papier versteht
sich. Natürlich bezahlen wir nichts und machen uns auf die Weiterreise.
Schliesslich finden wir ca 1.5 km nach der Grenze auch einen Busbahnhof, wo ein
einziger Bus nach Bishkek weiterfährt: 12 Stunden Fahrt im unklimatisierten überfüllten
Reisebus, dafür sehr billig. |
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